Parallel zum markenrechtlichen System besteht ein eigenständiger und weitreichender Schutz für geschützte geografische Angaben (folgend g.g.A.) und geschützte Ursprungsbezeichnungen (nachfolgend g.U.). Es handelt sich dabei um eine eigene Kategorie von Schutzrechten (sui generis), basierend auf einer EU-Verordnung[1], deren Durchsetzung in Österreich im Markenschutzgesetz eingebettet ist.
Wer interessiert ist, welche Bezeichnungen geschützt sind, kann diese unter dem Online-Register eAmbrosia einsehen, u.a. sortiert nach Produktkategorie oder geografischem Bereich.
Einmal registriert, ist der Schutz von g.g.A. und g.U. sehr weit – deutlich weiter als etwa nach dem markenrechtlichen Maßstab der „Verwechslungsgefahr“. Die Eingriffstatbestände finden sich in Art 13 der Verordnung und umfassen neben der direkten oder indirekten kommerziellen Verwendung eines eingetragenen Namens (lit a) u.a. auch jede Nachahmung oder Anspielung (lit b), irreführende Angabe (lit c) oder sonstige irreführende Praktiken (lit d).
Die Breite des Schutzbereichs zeigt sich auch an folgenden Entscheidungen des EuGH und anderer Höchstgerichte bzw. Ämter:
Verletzte g.g.A/g.U. | Verletzendes Produkt |
EuGH C-44/17, 07. Juni 2018
Scotch Whisky | Glen Buchenbach, Swabian Single Malt Whisky |
(Abbildung 1) | (Abbildung 2) |
Eine der ersten beachtlichen Entscheidungen belegt, wie weit die „indirekte gewerbliche Verwendung“ einer geografischen Angabe ausgelegt wird. Sie liegt grundsätzlich dann vor, wenn der streitige Bestandteil in einer Form verwendet wird, die mit der geschützten Angabe identisch oder ihr klanglich und/oder visuell ähnlich ist.
Im gegenständlichen Fall lautet die g.A. „SCOTCH WHISKY“, der Eingriffsgegenstand enthielt keinen Hinweis auf „Scotch“ oder „Scotland“, sondern lediglich die Bezeichnung „Glen Buchenbach“. Die Bezeichnung „Glen“ steht für „valley“ oder Tal, und bezeichnet hier den Ursprungsort, das Buchenbach-Tal.
Der EuGH hielt dennoch für möglich, dass hier eine indirekte gewerbliche Verwendung vorliegt, da eine Assoziation zu SCOTCH hervorgerufen werden könne. Dabei ist darauf abzustellen, ob der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher veranlasst wird, einen unmittelbaren Bezug zu der geschützten Ware herzustellen.
Sollte keine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit vorhanden sein, ist gegebenenfalls die inhaltliche Nähe der Bezeichnung zu der geschützten Angabe zu berücksichtigen. Auf das Umfeld, in dem der streitige Bestandteil verwendet wird, kommt es bei der Feststellung, ob eine „falsche“ oder „irreführende“ Angabe vorliegt, nicht an.
Im nachfolgenden nationalen Verfahren in Deutschland wurde letztlich bestätigt, dass die Bezeichnung Glen Buchenbach die g.A. verletzt.
EuGH C-75/15, 21. Jänner 2016
Calvados | Verlados |
(Abbildung 3) | (Abbildung 4) |
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Bezeichnung „Verlados“ eine „Anspielung“ auf die g.g.A. „Calvados“ darstellt, muss die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen, sowie etwaige Umstände berücksichtigt werden, die darauf hinweisen könnten, dass eine solche Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruht, um zu prüfen, ob der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher durch den Namen des Erzeugnisses dazu veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu einem Erzeugnis mit der g.g.A. herzustellen.
Außerdem wurde entschieden, dass die Benutzung einer Bezeichnung, die als „Anspielung“ qualifiziert wird, selbst dann unzulässig ist, wenn jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist.
EuGH C-614/17, 2. Mai 2019
Queso Manchego | Adarga de Oro/Rocinante/Super Rocinante |
(Abbildung 5) | (Abbildung 6) |
Dieser Fall macht deutlich, wie weit der Begriff der „Anspielung“ ausgelegt werden kann: Auch schon alleine durch den Gebrauch von Bildern kann eine Anspielung auf eine eingetragene g.U. erfolgen. Der Eingriffsgegenstand enthielt zwar keine wörtliche Anspielung auf „Manchego“, allerdings ist „Rocinante“ der Name des Pferdes von Don Quijote in Miguel de Cervantes’ Werk. Don Quijote wiederum stammt aus der Region „La Mancha“, Namensgeber des „Queso Manchego“.
Der EuGH schloss nicht aus, dass die Bild- und Wortbestandteile, die sich auf das Erzeugnis, das in Spanien hergestellt und überwiegend dort konsumiert wird, beziehen, bei den Verbrauchern dieses Mitgliedstaats gedanklich das Bild einer eingetragenen Bezeichnung hervorrufen. Dies würde für eine Anspielung bereits ausreichen. Die Beurteilung, ob das tatsächlich der Fall ist, verblieb dem nationalen Gericht.
Entscheidend ist, ob das fragliche Element geeignet ist, dem Durchschnittsverbraucher (=alle europäischen Verbraucher einschließlich jener des Mitgliedsstaats, aus dem das Erzeugnis kommt) das Erzeugnis, das diese Bezeichnung trägt, gedanklich unmittelbar in Erinnerung zu rufen.
Außerdem besagt das Urteil, dass die Verwendung von Bildzeichen selbst dann eine Verletzung darstellen kann, wenn der Erzeuger selbst aus dem Gebiet, auf das die Bilder anspielen, stammt, dessen Produkte aber nicht von der g.U. erfasst sind.
EuGH C-490/19, 17. Dezember 2020
Morbier | Montboissié du Haut Livradois |
(Abbildung 7) | (Abbildung 8) |
Aus diesem Fall wird deutlich, dass nicht nur der Name, sondern sogar die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbildes, die bzw. das für ein geschütztes Erzeugnis charakteristisch ist, verboten ist, wenn dadurch der Verbraucher zu der Annahme veranlasst werden kann, dass das Erzeugnis von diesem eingetragenen Namen erfasst wird. Dafür ist darauf abzustellen, ob der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige europäische Verbraucher irregeführt werden kann.
Im gegenständlichen Fall ging es um das Erscheinungsbild des Produktes selbst: Der Käse weist in der Mitte einen waagerechten schwarzen Streifen auf, der sich geschlossen und ununterbrochen durch die gesamte Schnittfläche zieht. Auch ohne irgendeine direkte oder indirekte Verwendung des Wortes „Morbier“ wurde hier schon allein aufgrund des Aussehens des Produktes ein Eingriff erkannt.
EuGH C-783/19, 9. September 2021
Champagne | Champanillo |
(Abbildung 9) | (Abbildung 10) |
Diese Entscheidung des EuGH betrifft die VO (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, genauer, den Art 103 Abs 2 lit b.
Eine Tapas-Bar Kette in Spanien verwendete das Zeichen CHAMPANILLO, wobei vor allem zu erwähnen ist, unter der Verwendung einer Grafik in Form von zwei mit einem Schaumgetränk gefüllten Gläsern.
Das “Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne” (CIVC) ist die französische Organisation, die für die Wahrung der Interessen der Champagnerhersteller zuständig ist. Diese verlangte die Unterlassung der Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO.
Der EuGH hat im Vorabentscheidungsverfahren folgendermaßen entschieden:
G.U. werden gegen Handlungen geschützt, die sich sowohl auf Erzeugnisse als auch auf Dienstleistungen beziehen.
Weiters wurde festgestellt, dass eine „Anspielung“ im Sinne der fraglichen Bestimmung nicht voraussetzt, dass das geschützte Erzeugnis und das streitige Erzeugnis/die streitige Dienstleistung identisch oder ähnlich sind. Es kommt darauf an, dass die Verwendung des Namens beim normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Durchschnittsverbraucher einen hinreichend unmittelbaren und eindeutigen gedanklichen Zusammenhang hervorruft.
Ein solcher Zusammenhang kann sich ergeben aus:
- Dem teilweisen Einschluss der geschützten Bezeichnung;
- Der klanglichen und visuellen Nähe der beiden Namen und der daraus resultierenden Ähnlichkeit;
- Wenn diese Umstände nicht vorliegen aus der inhaltlichen Nähe zwischen der g.U. und dem streitigen Namen oder
- einer Ähnlichkeit zwischen den unter diese g.U. fallenden Erzeugnissen und den von diesem Namen erfassten Erzeugnissen oder Dienstleistungen.
Schließlich wurde festgestellt, dass eine „Anspielung“ im Sinne des Art 103 Abs 2 lit b nicht voraussetzt, dass unlauteres Wettbewerbsverhalten festgestellt wurde, da die vorliegende Bestimmung einen besonderen und eigenständigen Schutz vorsieht, der unabhängig von den Bestimmungen des nationalen Rechts über den unlauteren Wettbewerb gilt.
BGH I ZR 21/19, 12. Dezember 2020
Prosciutto di Parma | Culatello di Parma |
(Abbildung 11) | (Abbildung 12) |
Diese Entscheidung besagt, dass es bei einer „Anspielung“ darauf ankommt, ob der Verbraucher durch eine Bezeichnung veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte Bezeichnung trägt.
Laut BGH kann bei Erzeugnissen, die ähnlich aussehen, davon ausgegangen werden, dass eine „Anspielung“ auf eine g.g.A. vorliegt, wenn die Verkaufsbezeichnung eine klangliche und visuelle Ähnlichkeit aufweist.
UK, Trade Mark Inter Partes Decision, O-341-21, 6. Mai 2021
Prosecco | Brosecco |
(Abbildung 13) | (Abbildung 14) |
Hier ging es um kein Eingriffsverfahren, vielmehr wurde die Eintragung einer Marke auf Basis der g.U. „Prosecco“ untersagt.
Für die Feststellung einer „Anspielung“ ist nur erforderlich, dass die Widerspruchsmarke bei dem Verbraucher das Bild von Prosecco auslöst, eine Verwechslung der beiden Zeichen ist nicht erforderlich. Hier ist eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, die Marke ist geeignet das Publikum über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen.
Außerdem verschafft die Tatsache, dass die Verbraucher im Vereinigten Königreich die Widerspruchsmarke mit der angesehenen g. U. in Verbindung brächten, der Klägerin einen unlauteren Vermarktungsvorteil.
EUIPO, Decision of the Fourth Board of Appeal, R 1132/2019-4, 17. April 2020
Champagne | Champagnola |
Auch hier geht es nicht um ein Eingriffsverfahren, sondern ein markenrechtliches Registerverfahren. Die Eintragung der Marke „Champagnola“ wurde mit der Begründung abgelehnt, dass jede Markenanmeldung, die den Ruf einer g.U. ausnutzt, zurückgewiesen werden kann, selbst wenn die Produkte oder Dienstleistungen nicht ähnlich sind.
Dafür war zunächst der etablierte Ruf von „Champagne“ nachzuweisen. Außerdem war die „Anspielung“ auf eine geografische Angabe zu beweisen, wobei entschieden wurde, dass eine solche unabhängig davon vorhanden ist, ob die Waren und Dienstleistungen vergleichbar sind oder nicht.
In Bezugnahme auf die Rufausbeutung wurde entschieden, dass kein vergangener oder gegenwärtiger Schade nachgewiesen werden muss, sondern ein zukünftiges Risiko, dass sich aus der üblichen Praxis im jeweiligen Wirtschaftszweig ergibt.
Zulässig:
EuGH C-432/18, 4 Dezember 2019
Aceto Balsamico di Modena I.G.P. | Deutscher Balsamico |
(Abbildung 15) | (Abbildung 16) |
Diese Entscheidung zeigt wiederum die Grenzen des Schutzes einer g.g.A.
Der Schutz der g.g.A „Aceto Balsamico di Modena“ ist nicht dahin auszulegen, dass er sich auf die Verwendung ihrer einzelnen nicht geografischen Begriffe erstreckt. Daher ist die Bezeichnung „Deutscher Balsamico“ kein Verstoß.
Zusammenfassend kann also anhand der oben genannten Beispiele festgehalten werden, dass der Schutzbereich einer g.g.A. oder einer g.U. sehr weitreichend ist.
Es wird nicht nur der Name eines Produktes geschützt, sondern auch dessen Erscheinungsbild.
So wurde im Fall von „Queso Manchego“ etwa entschieden, dass die Verwendung von Bildzeichen selbst dann eine Verletzung darstellen kann, wenn der Erzeuger selbst aus dem Gebiet, auf das die Bilder anspielen, stammt, dessen Produkte aber nicht von der g.U. erfasst sind.
Noch weitergehend ist der Schutz etwa im Falle der Qualifikation einer Bezeichnung als „Anspielung“, eine solche ist nämlich selbst dann unzulässig, wenn jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist.
Herstellern herkunftsgeschützter Ware kommt also ein umfassender Sonderschutz ihrer Produkte zu, der neben dem Namen auch Eigenschaften betrifft, die für ein Produkt charakteristisch sind.
Fußnote und Abbildungen:
[1] Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
Abbildung 1/ Symbolbild / https://pixabay.com/de/photos/alkohol-whisky-whiskey-karaffe-1278879/ (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 2/ https://waldhornbrennerei.de/0-2-liter-glen-buchenbach-43-vol.html / © Waldhornbrennerei Klotz GbR (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 3/ Symbolbild / https://pixabay.com/de/photos/calvados-spirituosen-%c3%a4pplekonjak-4087719/ (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 4/ https://www.amazon.de/Viini-Verla-Verlados-Apfelbranntwein-Jahre/dp/B018GK0QAE / © Vinii Verla (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 5/ https://elgusto.espanol.at/Queso-Manchego-9-12-Monate-im-Ganzen / © el gusto español GmbH & Co KG (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 6/ https://ipkitten.blogspot.com/2019/05/court-of-justice-use-of-figurative.html / https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ / © IPKat (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 7/ https://de.wikipedia.org/wiki/Morbier_(K%C3%A4se) / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ / © KarstenBuhr58 (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 8/ https://ipkitten.blogspot.com/2020/03/can-shape-or-appearance-of-product.html / https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ © IPKat (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 9/ Symbolbild / https://pixabay.com/de/photos/sekt-toasts-unterseite-wei%c3%9f-feier-2711895/ (abgerufen am 17.09.2021)
Abbildung 10/ https://www.facebook.com/champanillo1/photos/a.230132560667270/1370689406611574/ (abgerufen am 17.09.2021)
Abbildungen 11 und 12/ BGH I ZR 21/19
Abbildung 13/ Symbolbild / https://pixabay.com/de/photos/sekt-toasts-unterseite-wei%c3%9f-feier-2711895/ (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 14/ O-341-21
Abbildung 15/ Symbolbild / https://pixabay.com/de/photos/lebensmittel-kochen-schnitzel-3360720/ (abgerufen am 31.08.2021)
Abbildung 16/ https://ipkitten.blogspot.com/2015/12/lg-mannheim-there-is-no-german-balsamico.html / https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ © IPKat (abgerufen am 31.08.2021)