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Der Kausalitätsabschlag beim Verletzergewinn – Erste österreichische Rechtsprechung

Thema

Werden geistige Eigentumsrechte verletzt, kann der Rechteinhaber – alternativ zum Ersatz des erlittenen Schadens oder zur Zahlung einer Lizenzgebühr – die Herausgabe des Gewinns verlangen, den der Verletzter durch die Rechtsverletzung erzielt hat.

Dafür ist zunächst der „Reingewinn“ des Verletzers zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung dürfen dabei im Sinne einer Teilkostenrechnung die variablen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der rechtsverletzenden Produkte, nicht aber Fixkosten, etwa allgemeine Verwaltungskosten, Geschäftsführergehälter, Anlagenmieten, Abschreibungen für Anlagevermögen etc, die auch ohne Herstellung und/oder Vertrieb der rechtsverletzenden Produkte angefallen wären, abgezogen werden( 4 Ob 182/13p, Grant’s, ecolex 2014/137).

In der 2019 ergangenen Entscheidung 4 Ob 213/18d – LED-LENSER, hat sich – soweit ersichtlich – der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) darüberhinaus erstmals mit der Frage auseinandersetzt, ob nach Ermittlung des Reingewinns noch ein „Kausalitätsabschlag“ vorzunehmen ist, um dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Rechtsverletzung und erlangtem Gewinn Rechnung zu tragen.

Entscheidung

Im Anlassfalls ging es um ein Design an LED-Metalltaschenlampen, konkret das Gemeinschaftsgeschmacksmusters (GGM) RCD 000718598-0004.

Der Beklagte veräußerte Taschenlampen, deren Design trotz gewisser Abwandlungen als Eingriff in den Schutzbereich des gegenständlichen GGM beurteilt wurde. Der Rechtsbestand des GGM war im Übrigen auch in einem vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren von der zuständigen Beschwerdekammer des – damals noch – HABM rechtskräftig bestätigt worden.

Hauptabnehmer des Rechtsverletzers war die öffentliche Hand, die die Taschenlampen des Verletzers im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens für das Innenministerium, Polizeidienststellen, Feuerwehren und Finanzbehörden erworben hatte.

Wie den in der veröffentlichten OGH Entscheidung wiedergegebenen Feststellungen zu entnehmen ist, war für die Erteilung des Zuschlags die praktische Eignung zur Handhabung der Taschenlampe im dienstlichen Einsatz das entscheidende Kriterium. Vorgeschrieben waren dabei die Mitführbarkeit in einer Tragevorrichtung, die (eine sichere Handhabung gewährleistende) Oberflächengestaltung, eine Vorrichtung zur Befestigung einer Lampenschlaufe und Zubehör (Holster, Trageschlaufe und Signalkegel). Weniger Bedeutung hatten den Feststellungen nach das Design oder ästhetische Gründe.

Das Erstgericht sprach dem Rechteinhaber einen nach Abzug der teilweise strittigen Kostenpositionen den gesamten verbleibenden Reingewinn in Höhe von ca. EUR 55.000 zu.

Das Berufungsgericht reduzierte diesen Betrag erheblich und billigte dem Rechteinhaber nur 10% (!) dieses Reingewinns, sohin im Ergebnis ca. EUR 5.500 zu.

Der Verletzer habe nur jenen Reingewinn herauszugeben, den er aufgrund des widerrechtlichen Eingriffs in das GGM erzielt habe. Der Anspruch beziehe sich stets nur auf jenen Gewinnanteil, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts beruhe. Es komme maßgeblich darauf an, inwieweit der Entschluss der Käufer zum Erwerb des angegriffenen Erzeugnisses gerade darauf zurückzuführen sei, dass dieses das eingetragene Design benutze. Der Einwand der Beklagten, dass sie nicht den vollen Reingewinn schulde, sei deshalb berechtigt, weil für die Freigabe des Eingriffsgegenstands durch das Innenministerium nicht so sehr das Design oder ästhetische Gründe, sondern die praktische Nutzung ausschlaggebend gewesen sei. Die Beklagte habe daher nur einen nach § 273 ZPO mit 10 % festzulegenden Anteil am Reingewinn herauszugeben.

Der OGH bestätigte diese Entscheidung.

Kritik

Die vorliegende Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die keinesfalls darauf schließen lassen darf, dass Design lediglich bei Lifestyle Produkten oder traditionellen Werken der angewandten Kunst, nicht aber bei Gegenständen, bei denen der praktische Zweck im Vordergrund steht, kausal für den kommerziellen Erfolgt ist. Eine solche Annahme würde der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Industriedesigns alles andere als gerecht. Gutes Design folgt in der Regel auch der Funktion, sodass sich praktische Überlegungen des Abnehmers oft nicht von ästhetischen Überlegungen trennen lassen.

Bei der Bewertung des Kausalanteils ist in solchen Fällen jedenfalls darauf zu achten, dass jene Aspekte, die bereits auf Ebene der Schutzfähigkeit und des Eingriffs zu Gunsten des Rechteinhabers entschieden wurden, zB ob es sich um eine rein technisch bedingte oder dem freien Formenschatz zugehörige Form einer Taschenlampe handelt, nicht erneut aufgerollt werden. Wird der Form einer Taschenlampe Schutz als Geschmacksmuster oder auch Werk des Industriedesigns zuerkennt, wurde die Relevanz ästhetischer Aspekte bejaht. Wurde auch eine Verletzung des Schutzrechts festgestellt, finden sich diese designmäßig relevanten Aspekte auch im Eingriffsgegenstand wieder. Behauptungen des Beklagten, dass diese aber für die Kaufentscheidung dennoch (weitgehend) irrelevant gewesen sein sollen, sowie möglicherweise Aussagen von dessen (!) Kunden, die das bereitwillig bestätigen, sind daher mit Vorsicht zu genießen und einer kritischen Prüfung auf ihre Objektivierbarkeit zu unterziehen.

  • Für eine ausführlichere Entscheidungsbesprechung und weitere Erwägungen zum Thema „Kausalanteil“, einschließlich Beispielen aus der deutschen Rechtsprechung, siehe Göbel, Der Kausalanteil beim Verletzergewinn, Medien & Recht 1/2019, S 32ff