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EuGH erschwert Sampling ohne Lizenz

Sampling, also die Nutzung einzelner Sequenzen aus vorhandenen Musikstücken als Bestandteil für ein neues Werk, ist vor allem in Hip Hop und elektronischer Musik als wesentliches Element der Musikproduktion weit verbreitet. Allerdings bemühen sich in der Praxis die wenigsten Produzenten um eine Lizenz des Urhebers oder Rechteinhabers an der dabei gesampleten Originalaufnahme. Sampling wird von vielen Seiten als eigene Kultur gesehen, bei der die Kreativität gerade darin liegt, aus vielen kurzen, teilweise veränderten oder verfremdeten Elementen, ein neues Musikwerk zu schaffen, sodass eine Rechteabklärung für jedes einzelne Sample oft aus finanziellen oder praktischen Gründen ausscheidet.

Der EuGH beschäftigte sich in einem richtungsweisenden Urteil mit der Frage, inwieweit die Praxis des Sampling auch ohne Lizenzeinholung zulässig ist. Dem aktuellen Urteil vom 29.7.2019 (C-476/17) geht ein bereits 15 Jahre andauernder Rechtsstreit zwischen Mitgliedern der deutschen Elektro-Band Kraftwerk und Musiker und Produzent Moses Pelham voraus. Als Inhaber der Rechte am Musiktitel “Metall auf Metall” klagten Kraftwerk schon im Jahr 2004 Pelham, weil dieser als Produzent von Sabrina Setlur’s Stück „Nur mir“ eine ca. 2 Sekunden lange Sequenz aus dem Stück von Kraftwerk nahm und als zugrundeliegender Beat verwendete, ohne eine Lizenz von Kraftwerk einzuholen oder diese als Urheber zu nennen.

Länge der gesampleten Aufnahme irrelevant

Ein weit verbreiteter Irrtum liegt in der Annahme, es gäbe eine quantitative Grenze von etwa 5 Sekunden oder 5 Takten Musik, bis zu der die Verwendung eines Samples ohne Zustimmung zulässig wäre. Das war schon nach der bisherigen Rechtslage falsch. Tatsächlich kam es nach österreichischem Urheberrecht bislang in erster Linie im Einzelfall darauf an, ob so viel vom ursprünglichen Werk genommen wurde, dass von einer „Kopie“ die Rede sein kann, oder ob das ursprüngliche Werk nur als Inspiration diente. Sofern ein neues selbständiges Werk vorlag und im Vergleich dazu die benutzten Grundlagen geradezu verblassen, galt die neue Schöpfung als freie Bearbeitung, die keiner Zustimmung des ersten Urhebers bedurfte.

Der deutsche BGH hielt hier die analoge deutsche Regelung für anwendbar[1], und qualifizierte das Sample im Vorlageantrag als selbständiges Werk mit ausreichend Abstand zum Originalwerk und somit als freie Bearbeitung – unter Berücksichtigung des Grundrechts der Freiheit der Kunst und nach weitgehend denselben Maßstäben der bisherigen österreichischen Regelung. Der EuGH schiebt dem aber nun einen Riegel vor. Er sprach aus, dass derartige nationale Ausnahmen nicht zulässig sind. Die Schranken des Urheberrechts sind harmonisiert und somit durch die EU-Gesetzgebung abschließend geregelt. Somit stehen Ausnahmen, wie jene der freien Bearbeitung mit dem Kriterium des „Verblassens“ der ursprünglichen Werke vor dem neuen Werk, im Gegensatz zu geltendem EU-Recht. Diese Ausnahme greift daher in Zukunft auch in Österreich nicht mehr.

Auch im Fall von Kraftwerk gegen Pelham qualifizierte der deutsche BGH[1] das Sample im Vorlageantrag als selbständiges Werk mit ausreichend Abstand zum Originalwerk. Die deutschen Gerichte sahen es somit als freie Bearbeitung – unter Berücksichtigung des Grundrechts der Freiheit der Kunst und nach weitgehend denselben Maßstäben der bisherigen österreichischen Regelung. Der EuGH schiebt dem aber nun einen Riegel vor. Nach dem EuGH sind derartige nationale Ausnahmen nicht zulässig. Die „Schranken“ des Urheberrechts sind harmonisiert und somit durch die EU-Gesetzgebung abschließend geregelt. Ausnahmen, wie jene der freien Bearbeitung mit dem Kriterium des „Verblassens“ der ursprünglichen Werke vor dem neuen Werk, darf es daher in Hinkunft nicht mehr geben. Diese Ausnahme greift daher in Zukunft auch in Österreich nicht mehr.


[1] in analoger Anwendung, obwohl es in dem „Metall auf Metall“ Urteil um das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers ging und nicht um das Urheberrecht der Autoren.

Wahrnehmbarkeit ist neues Kriterium

Der EuGH kreiert stattdessen einen neuen Test für das gesamte Urheberrecht: Für die Frage des zulässigen Samplings – wie auch für sonst jede teilweise Nutzung eines Werkes zur Aufnahme in eine neues Werk, zB Foto- oder Videocollagen – kommt es nur noch auf die Frage an, ob das ursprüngliche Werk noch erkennbar ist. Nur wenn „bei der Schaffung eines neuen Werks das dem Tonträger entnommene Fragment so [geändert wird], dass es im neuen Werk beim Hören nicht wiedererkennbar ist“, liegt keine Vervielfältigung vor. (EuGH Rz 36)

Zwischen Verblassen und Erkennbarkeit liegt aber ein großer praktischer Unterschied: Bei einem Mosaik aus vielen einzelnen Bildern etwa verblasst das einzelne Bild mit Sicherheit vor dem neuen, selbständigen Werk; die einzelnen Bilder bleiben aber erkennbar. Gleiches wird für viele Musik-Samples gelten. Auch im „Metall auf Metall“ Verfahren muss diese Klage nun vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils noch von den deutschen Gerichten geklärt werden. Da die benutzte Rhythmussequenz nicht maßgeblich verändert wurde, deutet alles darauf hin, dass hier eine Erkennbarkeit gegeben sein wird, und das Verfahren sodann letztlich gegen Pelham ausgehen wird.

Neben der Einholung einer Lizenz oder der Veränderung zur Unkenntlichkeit ließ der EuGH lediglich eine Türe offen, um zu einem legalen Sample zu gelangen: Die auch im österreichischen Rechte bekannte Ausnahme für Zitate. Nach dem Gerichtshof soll ein Zitieren eines künstlerischen Werks möglich sein, wenn dadurch eine „Interaktion“ mit dem ursprünglichen Werk entsteht. Wann genau dies vorliegt, werden die nationalen Gerichte noch klären müssen. Zudem muss bei einem legalen Zitat immer auch eine Quellenangabe erfolgen – das erscheint im Rahmen der neueren Musik-Streaming-Plattformen wie Spotify oder YouTube zwar durchaus möglich, ist aber bislang eher unüblich.

Auswirkung auf Parodie, Satire – Änderungen im Urheberrecht notwendig

Die strikte Auslegung des EuGH, nach der Schranken des Urheberrechts abschließend im EU-Recht geregelt sind, hat eine weitere für Österreich sehr bedeutsame Konsequenz: Nach derzeitiger Rechtslage besteht keine Rechtsgrundlage, die die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken im Rahmen einer Parodie oder Satire rechtfertigt. Parodie und Satire wurden bislang durch die österreichische Rechtsprechung stets als zulässig beurteilt. Dafür bleibt aber aufgrund der strengen Auslegung des EuGH nun kein Platz mehr, vielmehr müsste dies explizit im Gesetz vorgesehen sein. Dies hat der österreichische Gesetzgeber bislang nicht getan.

Auch aufgrund der neuen EU-Gesetzgebung zu Upload-Filtern für online-Plattformen besteht hier gesetzgebersicher Handlungsbedarf. Auf die genaue Formulierung und Ausgestaltung von Änderungen zu Plattformen und Parodie-Ausnahme im österreichischen Urheberrecht darf man gespannt bleiben.