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EuGH schafft Verletzungsgerichtsstand für Unionsmarkenverletzungen

In welchem Land gegen Rechtsverletzungen im Internet geklagt werden kann, ist aufgrund der Grenzenlosigkeit des Internets keine einfache Frage. In Bezug auf die Verletzung von Unionsmarken im Internet hat der EuGH jetzt in AMS Neve v. Heritage  – C-172/18 (etwas) Klarheit geschaffen. Markeninhaber können demnach nicht nur im Heimatland des Verletzers klagen, sondern auch in dem Land, an das sich die markenverletzenden Verkaufsangebote und Werbung richten. Dies ergibt sich aus Art 125 Abs 5 UMV (früher Art 97 Abs 5 GMV).

Damit widerspricht der EuGH der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2017 (Parfummarken). Der BGH sprach in dieser Entscheidung nämlich aus, dass Online-Werbung und selbst Vertriebsbemühungen, die sich auf Deutschland beziehen, nicht ausreichen, um die Zuständigkeit deutscher Gerichte zu begründen. Der BGH konnte sich dabei ua. auf die Coty Germany (C-360/12) Entscheidung des EuGH berufen, wonach Art 97 Abs 5 GMV ein aktives Verhalten des Täters im relevanten Staat fordert. Nun hat der EuGH aber festgestellt, dass das Ausrichten von elektronischer  Werbung und Verkaufsangeboten eben als ein solches aktives Verhalten ausreicht und daher einen Gerichtsstand in dem Land begründet, an das sich dieses Verhalten richtet.

An diesem Verletzungsgerichtsstand kann jedoch nicht der gesamte in der EU eingetretene Schaden eingefordert werden, sondern nur der Schaden, der sich in diesem Land ereignet hat. Auch kann ein Unterlassungstitel nur für diesen Staat verlangt werden.  Der gesamte Schaden sowie ein EU-weiter Unterlassungstitel kann nur im Heimatsstaat des Verletzers eingeklagt werden. Verkauft ein französischer Händler daher sowohl Waren nach Österreich als auch nach Deutschland, kann in Österreich der Inhaber der verletzten Unionsmarke Schadenersatz nur für die nach Österreich gelieferten Waren verlangen. In Frankreich kann er dagegen Schadenersatz für alle Lieferungen verlangen. 

Trotz dieser Einschränkung bietet der Verletzungsgerichtsstand Vorteile, da er dem Kläger ermöglicht, in seinem Heimatland zu klagen (sofern in diesem eine Verletzung vorliegt). Denn viele schrecken vor Klagen im Ausland zurück, etwa aufgrund höherer Kosten (etwa durch Übersetzungen) oder Unsicherheit über ausländisches Recht.   

Ausrichten von Verkaufsangeboten und Werbung

Nähere Details dazu, wann Verkaufsangebote und Werbung im Internet sich an ein bestimmtes Land richten, enthält das Urteil nicht. Klar ist aber, dass dazu ein aktives Verhalten des Markenverletzers notwendig ist (Rz 44 der Entscheidung). Nicht genügen wird daher die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Webseite im Verletzungsstaat. Darin liegt ein Unterschied zu nationalen Marken, Urheberrechten und dem Lauterkeitsrecht: Hier kommt es bei der Zuständigkeit für eine „Internet-Tat“ allein auf die Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Website im Inland an (siehe zB OGH 20.12.2018, 4 Ob 181/18y).

Die Anforderungen an das Ausrichten dürften allerdings nicht allzu hoch sein, denn der EuGH betont, dass die Unterschiede bei der Zuständigkeit zwischen Unionsmarken und nationalen Marken so weit als möglich zu verringern sind (Rz 58 der Entscheidung). Schließlich verfolgt die Unionsmarkenverordnung auch das Ziel, Unionsmarkeninhaber nicht zu zwingen, Klage basierend auf Unionsmarken und parallelen nationalen Marken bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten zu erheben.

Welches Verhalten des Verletzers begründet nun ein „Ausrichten“ auf ein Land? Der Generalanwalt wurde hier konkreter und nannte in seinem Schlussantrag einige Beispiele (Rz 89f). Besonders wichtig seien demnach: Ausdrückliche Hinweise, dass sich ein Angebot oder eine Werbung ein einen Staat richtet; die Top-Level-Domain (zB .at, .de, .com); Preise in Landeswährung; Telefonnummern mit nationaler Vorwahl; Liefergebiet (solange nicht in die gesamte EU geliefert wird). Der EuGH bestätigte diese Fälle in seiner Entscheidung aber nicht ausdrücklich.

Keine besondere Bedeutung soll dagegen die Sprache der Webseite haben, wenn diese in der EU weit verbreitet ist (Rz 92 des Schlussantrags). Eine deutsche Sprachversion einer Webseite bedeutet daher nicht automatisch, dass diese etwa auf Deutschland ausgerichtet ist. Genauso gut könnte sich diese nämlich ausschließlich an Kunden in Österreich richten.

Nicht vom Generalanwalt erwähnt, aber von EuGH bereits in anderem Zusammenhang angeführt, sind Investitionen, um Verbrauchern via Internet-Suchmaschinen den Zugang zur Webseite zu erleichtern.[1] Werbungen im Internet werden nämlich oftmals auf bestimmte Länder (oder bei Bedarf auch nur für bestimmte Straßen oder Plätze) eingeschränkt. Rein der Umstand, dass ein Konsument eine bestimmte Werbung sieht, bedeutet dann bereits, dass sich der Unternehmer aktiv dazu entschlossen hat, seine Werbung auf dessen Land auszurichten.  

Im Einzelfall kann es aber trotzdem schwierig sein, zu bestimmen, an welches Land sich eine Webseite konkret richtet. Mit Spannung bleibt daher abzuwarten, auf welche Kriterien sich die nationalen Gerichte schlussendlich stützen werden.    


[1] Peter Pammer v. Reederei Karl Schlüter und Hotel Alpenhof gegen Oliver Heller – C-585/08, C-144/09. Dabei ging es um die Interpretation von Art 17 Brüssel Ia-VO, der für Verbraucherverträge ua die Zuständigkeit des Heimatstaates des Verbrauchers bestimmt, wenn der Unternehmer seine berufliche und gewerbliche Tätigkeit dorthin ausgerichtet hat.